Kanalnetz FAQ

Bei einer Kanalnetzübertragung überträgt eine Gemeinde, die Mitglied in einem sondergesetzlich errichteten Wasserverband (z.B. im Ruhrverband) ist, die kanalnetzbezogenen Aufgaben der Abwasserbeseitigung auf ihren Wasserverband. Dieser wird damit kraft gesetzlicher Regelung zum Pflichtenträger für das Sammeln und Fortleiten des in der Gemeinde anfallenden Abwassers. Da diese Aufgabe nur mit der vorhandenen Ortskanalisation erfüllt werden kann, findet zeitgleich mit der Aufgabenübertragung auch die Übertragung des Kanalnetzes auf den Verband statt. Kurz: Eine Kanalnetzübertragung ist die Übertragung einer gesetzlich geregelten Aufgabe von einem Hoheitsträger auf einen anderen.

Das Landeswassergesetz NRW (LWG) sieht seit seiner Novellierung im Jahr 2016 eine Regelung vor, nach der es Mitgliedsgemeinden von sondergesetzlichen Wasserverbänden ermöglicht wird, die kanalnetzbezogenen Aufgaben der Abwasserbeseitigung (Sammeln und Fortleiten von Abwasser) auf ihren Wasserverband zu übertragen (§ 52 Absatz 2 LWG). Diese Regelung vermittelt den verbandsangehörigen Gemeinden eine Option. Ein Zugriffsrecht des Verbandes auf Kanalnetze seiner Mitgliedskommunen begründet die Vorschrift nicht. Kurz: Die Rechtsgrundlage einer Kanalnetzübertragung ist eine Regelung im Landeswassergesetz.

Nein. Eine Kanalnetzübertragung ist kein Rechtsgeschäft, sondern ein staatlicher Organisationsakt, mit dem eine hoheitliche Aufgabe von einer Gebietskörperschaft auf einen als Körperschaft des öffentlichen Rechts ausgestalteten Wasserverband übertragen wird. Daher sind auch keine nachteiligen Umsatzsteuereffekte zu erwarten. Kurz: Nein, der Verband kauft nicht das Kanalnetz.

Das juristische Eigentum an dem Kanalnetz verbleibt bei der Gemeinde. Der Verband erhält aber mit der Aufgabenübertragung das uneinschränkbare Nutzungsrecht an dem Kanalnetz. Dieses Nutzungsrecht hat die Qualität sog. wirtschaftlichen Eigentums, wie es im Handelsgesetzbuch geregelt ist. Das bedeutet, dass das Kanalnetz wirtschaftlich als Vermögensgegenstand des Verbandes behandelt wird und von ihm entsprechend bilanziert und abgeschrieben wird. Kurz: Der Gemeinde gehört das Kanalnetz nach einer Kanalnetzübertragung im juristischen Sinn, dem Verband gehört es wirtschaftlich.

Ja. Für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums zahlt der Verband an die Gemeinde einen Ausgleichswert, mit dem der Verlust eines Vermögensgegenstandes im kommunalen Haushalt kompensiert wird. Damit wird vermieden, dass die Bilanz der übertragenden Gemeinde in Schieflage gerät. Kurz: Ja, der Verband erstattet der Gemeinde zum Übertragungsstichtag einen Ausgleichswert für das Kanalnetz.

Der Verband finanziert den gesamten, im Zusammenhang mit einer Kanalnetzübertragung entstehenden Aufwand, indem er die Gemeinde zu einem entsprechenden, jährlich festzusetzenden Verbandsbeitrag veranlagt. Dieser sog. Sonderbeitrag tritt zu den sonstigen Verbandsbeiträgen der jeweiligen Gemeinde hinzu und wird über die Entwässerungsgebühren gegenfinanziert. Damit ist garantiert, dass die übrigen Mitglieder des Verbandes keinen Aufwand tragen müssen, der durch die Aufgabenübertragung entsteht. Kurz: Der Verband refinanziert seinen aus einer Kanalnetzübertragung resultierenden Aufwand durch einen Sonderbeitrag der übertragenden Gemeinde.

Die Gemeinde kann über die durch den Ausgleichswert generierten Mittel im Rahmen der gemeindehaushaltsrechtlich zu beachtenden Bestimmungen frei verfügen. Sie kann die Mittel insbesondere in ihrem allgemeinen Haushalt für wichtige kommunale Vorhaben oder zur Entschuldung einsetzen. Kurz: Die Gemeinde kann über die Mittel im Rahmen des Gemeindehaushaltsrechts frei verfügen.

Der Ausgleichswert orientiert sich zunächst an dem Wert, mit dem das Kanalnetz zum Übertragungsstichtag in den Büchern der Gemeinde steht, also an dem sog. Restbuchwert. Daneben berücksichtigt der Ausgleichswert für das übertragene Bestandsvermögen aber auch den Ertrag, den die Gemeinde über ihre Kalkulation im Gebührenhaushalt erwirtschaften würde, wenn eine Kanalnetzübertragung nicht stattfinden würde. Dieser kombinierte Ansatz aus substanz- und ertragswertorientierter Bewertung des Kanalnetzes garantiert, dass der Gemeinde nach einer Kanalnetzübertragung keine Verluste im Gebührenhaushalt entstehen. Das Verfahren ist durch externe Wirtschaftsprüfer bestätigt worden. Kurz: Der Ausgleichswert wird nach fairen und finanzwirtschaftlich abgesicherten Bewertungsverfahren gebildet.

Nein. Eine Kanalnetzübertragung ist ein staatlicher Organisationsakt zwischen Hoheitsträgern, die als Non-profit-Einrichtungen keine Gewinnerzielungsabsicht mit der hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung verfolgen, sondern Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge im Allgemeininteresse wahrnehmen. Dagegen verlagert eine Privatisierung vormals Hoheitsträgern obliegende Aufgaben in die Hände privater Unternehmen, deren Interesse an der Aufgabenwahrnehmung darin besteht, Gewinne zu erzielen. Kurz: Nein, eine Kanalnetzübertragung ist keine Privatisierung.

Nein. Die Abwasserbeseitigung ist in Deutschland als Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge geregelt und damit nicht privatisierbar. Kurz: Nein.

Die Entscheidung über die Durchführung einer Kanalnetzübertragung wird von der übertragenden Gemeinde und dem übernehmenden Verband in den jeweilig dafür zuständigen Gremien (Gemeinderat und Verbandsversammlung) getroffen. Kurz: Die dazu legitimierten Gremien von Gemeinde und Verband entscheiden über eine Kanalnetzübertragung.

Eine Kanalnetzübertragung bedarf einer verbandsaufsichtlichen Genehmigung, die auf Antrag des übernehmenden Verbandes vom Landesumweltministerium erteilt wird; sie unterliegt daneben keiner sonstigen, insbesondere keiner kommunalaufsichtlichen Genehmigungspflicht. Kurz: Ja.

Nein. Eine Kanalnetzübertragung ist kein Beschaffungsvorgang, sondern ein Organisationsakt zwischen Hoheitsträgern. Damit gilt das öffentliche Vergaberecht nicht. Kurz: Nein.

Ja, der Gemeinde verbleiben nach dem Landeswassergesetz bestimmte Teilaufgaben der Abwasserbeseitigung. Sie bleibt zuständige Trägerin der Planungshoheit, sie behält die Hoheit über die gemeindliche Entwässerungs- und Entwässerungsgebührensatzung, sie bleibt zuständig für die Erhebung der Entwässerungsgebühren und sie hat weiterhin das Abwasserbeseitigungskonzept aufzustellen und der Wasserbehörde vorzulegen. Kurz: Ja, ihr verbleiben Aufgaben, die sich aus ihrer Planungs-, Satzungs- und Gebührenhoheit ergeben.

Ja. Die übertragende Gemeinde kann nach einer mit dem Verband zu vereinbarenden Mindestlaufzeit der Übertragung die Aufgabe Sammeln und Fortleiten von Abwasser wieder zurückholen. Kurz: Ja.

Die Gemeinde auf der Grundlage der ihr nach dem Kommunalabgabenrecht zugewiesenen Gebührenhoheit.

Nein. Aufgabenübertragungsbedingte Mehrkosten, die den Gebührenhaushalt belasten könnten, fallen nicht an. Die Aufgabenerfüllung durch den Verband erzeugt im Gegenteil Kosteneinsparpotentiale, die der Verband hebt und an die Gemeinde mit entlastender Wirkung für den Gebührenhaushalt weitergibt. Die Gemeinde bleibt in der Gebührenverantwortung und steuert über ihre Wirtschaftsplanung die Investitionen in das Kanalnetz. Der Verband erzielt als Non-profit-Einrichtung keine Gewinne aus dem Kanalnetzbetrieb. Die Aufgabenerfüllung durch ihn erfolgt umsatzsteuerfrei. Kurz: Nein, eine Kanalnetzübertragung trägt vielmehr zur Entlastung des Gebührenhaushaltes bei.

Indem die Gemeinde auf der Grundlage ihrer Bauleitplanung den Verband anweist, die abwassertechnische Erschließung eines neuen Baugebietes vorzunehmen oder von einem damit beauftragten Bauträger zu übernehmen. Kurz: Durch Anweisung an den Verband.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der übertragenden Gemeinde können zum Ruhrverband wechseln und dort ihrer bisherigen Tätigkeit auf der Grundlage des öffentlich-rechtlichen Tarifvertragsrechts der Wasserwirtschaft NRW weiterhin nachkommen. Ein Zwang hierzu besteht aber nicht, sodass sie auch bei ihrer bisherigen Gemeinde mit neuen Aufgaben beschäftigt bleiben können. Kurz: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Wahlfreiheit zum Verband zu wechseln, oder bei ihrer Gemeinde weiter beschäftigt zu bleiben.

Vorteile können auf verschiedenen Ebenen entstehen: Eine Kanalnetzübertragung entlastet eine oftmals auch personalwirtschaftlich überforderte Gemeinde von einer Aufgabe mit wachsenden technischen und rechtlichen Anforderungen. Durch die Freisetzung bisher gebundener Mittel erhöht die übertragende Gemeinde ihre finanziellen Spielräume für andere Aufgaben der Daseinsvorsorge. Dabei riskiert sie nicht wie im Falle einer Privatisierung, dass die Verlagerung der Aufgabe in andere Hände zu Gebührensteigerungen führt oder der Partner durch Insolvenz ausfällt. Nachteilige Auswirkungen durch wegfallende kalkulatorische Effekte sind nicht zu befürchten. Kurz: Finanzwirtschaftlicher Mehrwert bei gleichzeitiger Entlastung im Aufgabenbestand.

Der Verband ist gesetzlich dem Allgemeinwohl verpflichtet. Vorteile des Verbandes drücken sich aus in Vorteilen für die Allgemeinheit. Diese bestehen bei einer Kanalnetzübertragung darin, dass eine hoheitliche Aufgabe künftig wirtschaftlicher wahrgenommen werden kann, ohne zu Mehrkosten des Gebührenzahlers zu führen oder Abstriche bei der Umsetzung geltender Standards zum Schutz der Umwelt herauszufordern. Denn eine Kanalnetzübertragung ermöglicht es, den Betrieb von Kanalnetzen, verbandlichen Kläranlagen, Niederschlagswasserbehandlungsanlagen und Pumpwerken aus einer Hand und damit effizienter zu gestalten. Kurz: Mensch und Umwelt profitieren gleichermaßen von einer Kanalnetzübertragung.

Nichts. Das Kanalnetz im Gemeindegebiet bleibt öffentliche Abwasseranlage, das dem Bürger zur Benutzung unverändert zur Verfügung steht. Ansprechpartner der Bürger bleiben die zuständigen Stellen der Gemeinde, die weiterhin die Gebührenentwicklung bestimmt und die Bürger auf der Grundlage des Benutzungsverhältnisses zu Entwässerungsgebühren heranzieht. Kurz: Für die Bürger ändert sich nichts.

Ja. Eine erste Kanalnetzübertragung auf den Ruhrverband erfolgte 2007/2008 in Meschede auf verbandsrechtlicher Grundlage. Aufgrund einer Änderung der nordrhein-westfälischen Wasserverbandsgesetze im Jahre 2007 durften den sondergesetzlichen Wasserverbände bis zur Änderung des Landeswassergesetzes im Jahre 2016 keine Kanalnetze übertragen werden. Als dies im Sommer 2016 wieder möglich wurde, folgten Kanalnetzübertragungen auf den Ruhrverband in Schmallenberg 2017, in Schalksmühle 2020 und in Hattingen 2020. Mit einigen Gemeinden im Verbandsgebiet führt der Ruhrverband aktuell Gespräche, um weitere Kanalnetzübertragungen vorzubereiten. Kurz: Ja, auf den Ruhrverband sind bisher vier Kanalnetze übertragen worden (Stand: 2020).