Bärenklau und Quaggamuschel: Ein Gastbeitrag von RuhrFellow Nick Gailey

Nick Gailey ist einer von 17 US-Stipendiaten, die im Sommer auf Einladung des Initiativkreises Ruhr und der Universitätsallianz Ruhr zwei Monate lang die Region kennengelernt haben. Als Teil des RuhrFellowship-Programms machte der Student der kalifornischen Berkeley-Universität ein vierwöchiges Praktikum beim Ruhrverband. Das Thema „Invasive Arten" hat dabei sein besonderes Interesse geweckt. Hier sein Gastbeitrag dazu:

Von Nicholas Will Gailey

Der Zeitgeist des modernen Flussgebietsmanagements wird durch die große Anzahl an umweltbewussten, auf die Wiederaufwertung von Gewässern fokussierten Projekten repräsentiert. Dennoch, Problematiken wie die Globalisierung des Tourismus und die steigende Abhängigkeit vom internationalen Handel machen derartige Bemühungen oftmals schleichend zunichte, indem fremde Tier- und Pflanzenarten „mitgebracht“ werden. Diese Einfuhr lässt fremde invasive Arten zu einer der größten gegenwärtigen Bedrohungen der Süßwasser-Biodiversität und der heimischen Tier- und Pflanzenwelt  werden. Dieser Bedrohung lokal zu begegnen ist daher eine schwierige Aufgabe für den Ruhrverband1.Invasive Arten sind sowohl aus ökologischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht problematisch. Sie verdrängen nicht nur die heimische Flora und Fauna, sondern können die Ökosysteme auch erheblich in ihrer üblichen Funktionsweise beeinflussen. Dazu gehört auch der Eingriff in das Vorkommen von Naturressourcen, die zu Erholungszwecken oder wirtschaftlich genutzt werden. Genetische Spezialisierungen und lokale Adaptionen, die einige einmalige Subspezies entstehen lassen, könnten zudem durch weitere Vermischungen verloren gehen.

Herkulesstaude verursacht Hautschädigungen
Dr. Petra Podraza, aquatische Ökologin und Projektleiterin beim Ruhrverband, erklärt, dass Importe von befallenen Früchten und Holzprodukten, die Haltung von exotischen Pflanzen und Tieren, Logistikaktivitäten, Köder- und Fischaufzuchtpraktiken und sogar Zooflucht allesamt zur Einfuhr von fremden Arten ins Ruhrgebiet beigetragen haben. Die invasive Herkulesstaude, die schmerzhafte Hautschädigungen beim Menschen verursacht und auch als Riesen-Bärenklau bekannt ist (Bild), ist mittlerweile entlang der Ruhr und vieler ihrer Zuflüsse weit verbreitet , obwohl sie ursprünglich nur als Zierpflanze für private Gärten importiert wurde.

Neben grundsätzlichen ökologischen Aspekten und solchen der Lebensqualität für den Menschen ist die Bekämpfung dieser fremden Arten zudem sehr kostenintensiv. Die Reduzierung  der mit Elodea verkrauteten Flächen, einer nordamerikanischen Wasserpflanze die große Massenbestände bildet (Bild), und u.a. den Wassersport beeinträchtigt, „kostet allein am Kemnader See 2000 Euro pro Tag“, so Michael Kuk, für den See verantwortlicher Betriebsgruppenleiter beim Ruhrverband. Erst kürzlich wurde festgestellt, dass sich die Elodea nunmehr auf einem weiteren See im Ruhrgebiet in größerer Dichte ausgebreitet hat.

Viele der Länder, aus denen die invasiven Arten eingeführt werden, haben ähnliche Probleme mit fremden Pflanzen und Tieren, die ökologische Nischen besetzten und sich von dort ausbreiten. Auf der anderen Seite der Welt, in Nordamerika, kämpfen Flussgebietsmanager mit unzähligen fremden Spezies wie dem aggressiven asiatischen Karpfen und den fruchtbaren Quaggamuscheln (Dreissena rostriformis), einer Schwesterart der auch im Ruhreinzugsgebiet bereits seit Jahrzehnten bekannten Zebramuschel (Dreissena polymorpha). Kalifornien rechnet nunmehr mit einer Muschelinvasion, wie sie bereits große Teile des amerikanischen Ostens befallen hat. Beeinträchtigungen wie verstopfte Wasserentnahmeleitungen und Bootsmotoren, verminderte Fischbestände, erhöhte Wasserbehandlungskosten sowie gar die Notwendigkeit zur Verwendung von Schuhen beim Wassersport und Baden sind zu erwarten. Die USA geben bereits jetzt schätzungsweise 500 Mio. US-Dollar jährlich für die Bekämpfung allein dieser Muscheln aus 2, 3.

Erst in den Rhein – und dann ins Ruhrgebiet
Im Ruhreinzugsgebiet konnte die Quaggamuschel zwar bis jetzt noch nicht nachgewiesen werden, da aber der Rhein bereits dicht von dieser Art besiedelt wird, ist mit ihrer Invasion auch hier in das Gebiet jederzeit zu rechnen.. Mit kleinen Larven kann die Muschel offenbar bestehende Schutzbarrieren passieren und Oberflächen mit Zehntausenden Muscheln pro Quadratmeter besiedeln. Das Ausmaß der möglichen Ausbreitung und der entstehende Infrastrukturschaden bleiben bisher unbekannt. Andere Problemarten sind u.a. die nahrungskettenzerstörende Grundel, eine mit dem Barsch verwandte Fischart, die aus der Schwarzmeerregion stammend über den Rhein-Main-Donau-Kanal nun auch den Rhein und viele seiner größeren Nebengewässer besiedelt und heimische Fischarten verdrängt sowie die heimische Wirbellosenfauna durch Fraß dezimiert.  Oder als weiteres Beispiel das Verschiedenblättrige Tausendblatt (Myriophyllum heterophyllum), eine ursprünglich aus Nordamerika stammende Wasserpflanzenart  , die bereits die Schifffahrtskanäle in den Niederlanden unpassierbar macht.

Diskussionen über Bekämpfungsmöglichkeiten und -mittel werden seit Jahren geführt, bisher ohne Aussicht auf eine klare, langfristige Lösung. Als im Bereich der invasiven Arten erfahrene Fachleute sind sich Podraza und Kuk einig, dass die Vermeidung weiterer Invasionen nicht-heimischer Arten unabdingbar ist. Aus der Politik-Perspektive, auch wenn Importkontrollen zwischen einigen Ländern durch das Schengen-Abkommen erschwert werden, wäre dies  eine wichtige erste Abwehrmaßnahme gegen die weitere Gefährdung und Schädigung der heimischen Ökosysteme und der von ihnen abhängigen ökonomischen Belange. Darüber hinaus wird die wachsende Bedeutung der sogenannten „Ökosystemleistung“, also die Gewinnung von wirtschaftlichen Vorteilen aus einer verträglichen, nachhaltigen  Nutzung der Ökosysteme, insofern eine wichtige Rolle in der politischen Arbeit zu invasiven Spezies spielen, als der Schaden nunmehr monetär quantifizierbar wird. Gerade wird zudem an einer schwarzen Liste gearbeitet, mit welcher der laufende An- und Verkauf von prominenten invasiven Spezies unterbunden werden soll.

Exotische Schildkröten in der RuhrDie überwiegende Bevorzugung lokaler Produkte und die Durchführung spezieller Reinigungsschritte bei Booten vor der Nutzung auf anderen Gewässern sind wesentliche individuelle Ansätze und Maßnahmen zur Vermeidung der Ausbreitung von invasiven Arten. Des Weiteren werden jeden Sommer in nahezu vorhersagbar ansteigender Anzahl exotische Schildkrötenarten in der Ruhr entdeckt, weil Einwohnerinnen und Einwohner vor ihrem Urlaub ihre unliebsamen Haustiere aussetzen. Aufklärung und ein gesteigertes Verantwortungsbewusstsein in dieser Angelegenheit ist daher eine weitere Möglichkeit der Hilfe.Bevor der Trend nicht in Richtung der Betonung des Heimischen zurückgeht, speziell auch vor dem Hintergrund von Konsum sowie Reise- und Freizeitgewohnheiten, wird die Bedrohung durch neue invasive Arten auch in den kommenden Jahren als Diskussionsthema auf der Tagesordnung von Fachgesprächen bleiben.(ins Deutsche übersetzt von Katrin Bauer)