Ruhr und Lenne trotzen Hitze und Trockenheit

Ruhrverband und AWWR stellen 45. Ausgabe des Ruhrgüteberichts vor

Roland Rüther, Vorsitzender der AWWR (l.), und Prof. Norbert Jardin, Vorstand Technik des Ruhrverbands (r.), bei der Vorstellung des Ruhrgüteberichts 2017. (Bei Verwendung bitte Quellenvermerk „Ruhrverband“ angeben)

Der Ruhrverband und die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR) haben am 11. September 2018 in Essen den aktuellen Ruhrgütebericht vorgestellt. Anlässlich der Veröf-fentlichung der mehr als 200 Seiten starken 45. Ausgabe des Berichts sagte Prof. Norbert Jardin, Vorstand Technik des Ruhrverbands: „Ruhr und Lenne zeigten sich vergleichsweise unbeeindruckt von der Trockenheit und Hitze des Sommers 2018. Obwohl aufgrund der Niedrigwasserführung auch in unseren Gewässern der Anteil des gereinigten Abwassers am Gesamtabfluss höher war als in nasseren Jahren, waren die Sauerstoffgehalte immer gut und die Belastung mit organischen Stoffen und Nährstoffen lag unterhalb der langjährigen Mittelwerte. Zu verdanken ist die stabil gute Wasserqualität von Ruhr und Lenne sowie deren Nebengewässern den Reinigungsleistungen der Kläranlagen und den Wasserspenden aus unserem Talsperrensystem, die über viele Tage teilweise bis zu 20 Kubikmeter pro Sekunde betrugen.“

Spurenstoffe – Verursacherprinzip konsequent stärken
Das Vorkommen von Spurenstoffen in Gewässern wird mittlerweile in ganz Deutschland öffentlich diskutiert. Im Jahr 2017 wurden in der Ruhr rund 480 organische Spurenstoffe wie Industriechemikalien, Pestizide, Diagnostika und Medikamente routinemäßig untersucht. Sofern für die Substanzen Orientierungs-, Präventivwerte oder Umweltqualitätsnormen vorliegen, werden diese in der Regel eingehalten. Trotzdem wird der Ruf nach der Aufrüstung von Kläranlagen laut, sobald neue Substanzen in Gewässern entdeckt werden. Die jüngere Diskussion über antibiotikaresistente Bakterien in Flüssen und Seen ist ein gutes Beispiel dafür. Selbst wissenschaftliche Institutionen des Bundes forderten eine vierte Reinigungsstufe, obwohl diese die Antibiotikaresistenzen im Kläranlagenablauf nicht nennenswert reduzieren kann. Bevor kostenintensive Maßnahmen in den kommunalen Kläranlagen ergriffen werden, sollte man das Verursacherprinzip anwenden. Wie der beachtliche Rückgang von TOSU und perfluorierten Tensiden in der Ruhr oder der Erlass der Waschmittelgesetze in 1960er Jahren beweisen, wirken Maßnahmen an der Quelle effizient und nachhaltig. Die Forschungsvorhaben „Essen macht’s klar“ und „MERK’MAL“ zeigen, dass die Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema und die Anwendung des Verursacherprinzips erfolgreich sind.

Gewässerstrukturen verbessern
Die Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, nach denen bis zum Jahr 2027 alle Gewässer in der EU in einem guten ökologischen Zustand sein müssen, waren ein weiteres Thema der Pressekonferenz. In Deutschland ist dies bisher nur bei 6,6 Prozent und im Einzugsgebiet der Ruhr immerhin bei 20 Prozent der Oberflächengewässer der Fall. Allerdings kann eine Zustandsverbesserung nur in sehr geringem Maße durch weitergehende Maßnahmen bei der Abwasserreinigung erzielt werden. Bei Parametern, die durch Kläranlagen beeinflussbar sind, wie beispielsweise Ammonium oder Phosphor, sind bereits 87 bzw. 82 Prozent der Gewässer des Ruhreinzugsgebiets in einem guten oder sehr guten Zustand. Hauptursache für die schlechte Bewertung sind Mängel beim hydromorphologischen Zustand, also bei der Beschaffenheit der Gewässersohle, der Uferstrukturen, des Umfelds und der Durchgängigkeit des Gewässersystems. Im Einzugsgebiet der Ruhr sind bereits viele Maßnahmen zur Verbesserung der Durchgängigkeit sowie der Gewässerstrukturen vorgenommen worden. Allerdings scheitern mögliche Projekte häufig an der fehlenden Verfügbarkeit erforderlicher Flächen für die Gewässerentwicklung, an Personalmangel bei Planung und Umsetzung sowie an den knappen finanziellen Ressourcen in den kommunalen Haushalten. Der Ruhrverband bietet seinen Mitgliedskommunen Hilfe bei Planung, Ausführung und der finanziellen Abwicklung von Gewässerentwicklungsmaßnahmen an.

Baldeneysee: Fast doppelt so viele Badetage wie 2017
Die Badestelle am Essener Seaside Beach, die im letzten Jahr nach einem 46 Jahre währenden Badeverbot eröffnet werden konnte, erfreute sich in diesem Jahr aufgrund des hervorragenden Sommers großer Beliebtheit. Bis Ende August konnten mehr als 20.000 Badegäste registriert werden. Die deutliche Steigerung der Gästezahlen liegt auch daran, dass die Anzahl der
erlaubten Badetage nahezu verdoppelt werden konnte. Dies wurde möglich durch eine Weiterentwicklung des Frühwarnsystems. Das Frühwarnsystem löste noch in 2017 ein Badeverbot aus, sobald an einer von sechs Regenmessstationen der Niederschlag über fünf Millimeter lag. Dank der zahlreichen Messwerte aus dem Jahr 2017 konnte durch statistische Analysen nachgewiesen werden, dass eine sichere Vorhersage gegeben ist, wenn an drei von sechs Messstationen ein Niederschlag von sieben Millimetern oder an einer Station ein Wert von neun Millimetern überschritten wird. Die neuen Grenzwerte haben sich in der Badesaison 2018 bewährt.

Gewässerverunreinigungen gehen zurück
Die Gewässerverunreinigungen aufgrund von Störfällen oder illegalen Einleitungen gingen auch 2017 weiter zurück. Im aktuellen Berichtsjahr wurde nur eine als relevant einzustufende Gewässerverunreinigung verzeichnet. Damit fügt sich auch das achte Jahr der aktuellen Dekade in eine positive Entwicklung ein: Mit im Schnitt fünf bekannt gewordenen
Gewässerverunreinigungen liegen die Jahre seit 2010 deutlich unter dem Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2009 (13 Vorfälle pro Jahr), 1990 bis 1999 (16 Vorfälle) und 1980 bis 1989 (18 Vorfälle). Dies gilt umso mehr unter Berücksichtigung einer zu vermutenden Dunkelziffer, die aufgrund des gestiegenen Bewusstseins für eine intakte Umwelt und der strengeren Kontrollen durch die Umweltbehörden abgenommen hat.

70 Jahre AWWR – ein Rück- und Ausblick
Die AWWR konnte im Berichtsjahr 2017 auf ihr 70-jähriges Bestehen und effektives Handeln zurückblicken. 1947, nach Kriegsende, wurde die AWWR zur Lösung von damals bestehenden Problemen wie akuter Wasserknappheit, Schäden in und an den Wasserwerken, Fachkräfte- und Materialmangel, Hochwasserschutz und Fragen zur Wasserqualität gegründet. Ziel war die sichere und transparente Versorgung von Bevölkerung, Bergbau und Industrie mit einwandfreiem
Trinkwasser. Viele erste Problemstellungen wurden in den folgenden Dekaden abgearbeitet und weitere Erfolge wie z. B. nachhaltige Initiativen gegen Fracking und bestimmte Pflanzenschutzmittel, die über 25 Jahre bestehende Kooperation mit der Landwirtschaft, der Aufund Ausbau des AWWR-Meldeplans und nicht zuletzt die Unterzeichnung der Arnsberger
Vereinbarung verbucht. Aktives und vorausschauendes Handeln hat das Krisenmanagement der Gründerjahre abgelöst. Themen wie die Vernetzung und Zusammenarbeit mit Behörden, Verbänden und eine transparente Öffentlichkeitsarbeit sind hierbei aktuell geblieben, neue, wie etwa die Spurenstoffproblematiken, sind hinzugekommen. „Der Leitgedanke – der vorbeugende Ressourcen- und Gewässerschutz sowie eine nachhaltige Verbesserung der Ruhrgüte und der Wassermengenwirtschaft – ist und bleibt dabei übergeordnetes Ziel und Motivation der AWWR“, gibt Roland Rüther, Vorsitzender der AWWR, einen Ausblick auf die immer noch bestehenden Aufgabenbereiche der Arbeitsgemeinschaft.

Den Spurenstoffen auf der Spur – Monitoringprogramm der AWWR und Vermeidung an der Quelle
Das AWWR-Monitoring von organischen Spurenstoffen war auch im Berichtsjahr eine der wichtigsten Maßnahmen im Rahmen der Versorgungssicherheit. Hierbei werden Einträge von relevanten Spurenstoffen aus Landwirtschaft und industriellen und kommunalen Abwässern an repräsentativen Messstellen entlang der Ruhr untersucht. Die Liste der untersuchten Stoffe wird
regelmäßig auf neue Erkenntnisse hin angepasst. In 2017 wurden nunmehr 62 Substanzen von Flammschutzmitteln über perfluorierte Verbindungen bis hin zu Humanpharmaka im Oberflächenwasser überwacht, um den hohen Standard der Trinkwasserqualität sicherzustellen.

Die Ergebnisse belegen auch dieses Mal, dass die vom Umweltbundesamt festgelegten gesundheitlichen Orientierungswerte zumeist bereits im Rohwasser unterschritten wurden. Dennoch zeigt das Monitoring auf, dass bestimmte Stoffgehalte / Stofffrachten durch den anthropogenen Einfluss im Flussverlauf zunehmen. Hier setzt weiterhin die Forderung nach einer
konsequenten Umsetzung des Vorsorge- und Verursacherprinzips an. „Denn Stoffe, die gar nicht erst in den Wasserkreislauf gelangen, müssen auch nicht mit viel Aufwand entfernt werden“, fasst Roland Rüther den Grundgedanken zusammen.

Zu diesem Thema gilt es weiterhin die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und für Akzeptanz zu sorgen. Ein schönes Beispiel ist ein von u. a. der AWWR mit initiiertes und unterstütztes Forschungsprojekt zur Minimierung des Eintrags von Röntgenkontrastmitteln (RKM): MERK‘MAL. Die zwar für den Menschen ungefährlichen, aber durch ihre Wasserlöslichkeit schwer entfernbaren RKM gehören zu diesen Stoffen, deren Vermeidung an der Quelle zu forcieren es gilt, denn sie gehören nicht in den Wasserkreislauf.

Über einen Zeitraum von vier Monaten hinweg wurden in großen Mülheimer Krankenhäusern und Praxen, die Röntgenkontrastmittel verabreichen, Urinbeutel an PatientInnen verteilt. Die über den Urin ausgeschiedenen RKM wurden mit Hilfe der Urinbeutel geordnet entsorgt und gelangten erst gar nicht in den Wasserkreislauf. Die Akzeptanz der teilnehmenden PatientInnen war mit über 85 % erfreulich hoch. Ein signifikant positiver Einfluss auf die Ruhrwasserqualität konnte nachgewiesen werden.

Diese Ergebnisse haben die Akteure ermutigt, das Projekt in einer zweiten Phase fortzuführen. Mit dem Ausbau der Kooperation mit Beteiligten aus dem Gesundheitswesen, den Kommunalverwaltungen und verschiedenen Institutionen soll eine überregionale und institutionelle Expansion und eine baldige Verstetigung verwirklicht werden. Des Weiteren gibt
dieser Erfolg Hoffnung, dass derartige Maßnahmen auch für die Rückhaltung anderer Stoffe nachhaltig umsetzbar sind.

„Das Projekt MERK‘MAL belegt, dass neben allem angewandten technischen Fortschritt in den Wasserwerken die Vermeidung an der Quelle die wahre Moderne im Gewässer- und Ressourcenschutz darstellt“, so Rüther zu dem Pilotprojekt.

Trinkwasserhöchstmengenförderung aufgrund anhaltender Hitzeperiode
Die mengenmäßig stets ausreichende und qualitativ einwandfreie Versorgung von rund 4,5 Millionen Menschen, Gewerbe und Industrie an der Ruhr und darüber hinaus mit mehr als 230 Millionen Kubikmetern Trinkwasser pro Jahr wurde auch in 2017 gewährleistet.

Aufgrund der lang anhaltenden Hitzeperiode in diesem Jahr hier ein kleiner Exkurs abseits des Berichtsjahres. In diesen Wochen waren die Wasserwerke an der Ruhr gefordert, dem erhöhten Wasserbedarf von bis zu 30 % über Durchschnitt zu entsprechen. Spitzentag war der 3. August 2018 mit einer Gesamtfördermenge von mehr als 812.000 m³ (durchschnittlicher Tageswert 630.000 m³). Dank der Talsperren des Ruhrverbandes und dem reibungslosen Betriebsablauf in den Wasserwerken wurde die Situation problemlos gemeistert.

Weitergehende Trinkwasseraufbereitung schreitet voran
Um den in der Ruhr vorkommenden organischen Spurenstoffen auch künftig optimal entgegentreten zu können, wird die bisherige naturnahe Wasseraufbereitung in vielen Ruhrwasserwerken aus Vorsorgegründen um zusätzliche technische Verfahrensschritte ergänzt. 2017 wurden zwei weitere Wasserwerke der AWWR-Mitgliedsunternehmen umgebaut bzw.
erweitert: das Verbundwasserwerk Witten der VWW GmbH sowie das Wasserwerk Witten der Wasserwerke Westfalen GmbH (WWW). Es wurden weitere 20 Mio. € zur langfristigen Sicherung der Trinkwasserqualität investiert, so dass 70 % des Gesamtinvestitionsvolumens aller Mitgliedsunternehmen der AWWR von rund 300 Mio. € erreicht sind.

Jeder Wasserwerksbetreiber entscheidet sich unter Berücksichtigung der vor Ort herrschenden Rahmenbedingungen für ein eigens angepasstes technisches Konzept. Dieses muss jeweils von den Bezirksregierungen Arnsberg oder Düsseldorf genehmigt werden. Die Verbundwasserwerk Witten GmbH (VWW) nahm im vierten Quartal 2017 die ergänzte Ultrafiltration in Betrieb, WWW die „weitergehenden Wasseraufbereitungsanlage“ des Wasserwerks Witten. Mit der abschließenden Installation einer Ultrafiltrationsanlage wurde die Erweiterung der Trinkwasseraufbereitung im Verbundwasserwerk Witten abgeschlossen. Die Ablösung der chemischen Desinfektion durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht wurde bereits im Vorfeld
realisiert.

WWW setzte erneut auf die bereits im Wasserwerk Echthausen erfolgreich eingesetzte Kombination aus Ozonung, Flockung, Mehrschichtfiltration und Aktivkohleadsorption (Schwerter Verfahren) mit physikalischen Nachbereitungsschritten. Im Wasserwerk Witten musste nur noch die Aktivkohleadsorption zur Bindung von Spurenstoffen (z. B. Arneimittelrückstände und Pflanzenschutzmittel) ergänzt und die Entsäuerung mit Natronlauge auf ein physikalisches Verfahren umgestellt werden. Die ursprüngliche Desinfektion mit Chlordioxid wurde auch hier bereits im Vorfeld auf UV-Licht umgestellt.

Mit Inbetriebnahme dieser Anlagen ist die Trinkwasseraufbereitung in den beiden Wasserwerken nachhaltig erweitert und qualitativ auf eine neue Stufe gehoben worden.

Link zum Herunterladen des Ruhrgüteberichts 2017:
https://www.ruhrverband.de/fileadmin/pdf/presse/wissen/Ruhrguetebericht_2017.pdf

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