Gute Wasserqualität der Ruhr erfreut Fisch und Co.

Ruhrverband und AWWR stellen 41. Ausgabe des Ruhrgüteberichts vor

Prof. Harro Bode, Vorstandsvorsitzender des Ruhrverbands (l.), und Dr. Christoph Donner, Vorsitzender der AWWR, bei der Vorstellung des Ruhrgüteberichts. Quelle: Ruhrverband

Der Ruhrverband und die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR) haben am 11. September 2014 in Essen den aktuellen Ruhrgütebericht vorgestellt. Anlässlich der Veröffentlichung der mehr als 200 Seiten starken 41. Ausgabe des Berichts sagte Prof. Harro Bode, Vorstandsvorsitzender des Ruhrverbands: „Das Wasser der Ruhr hat ein so gutes Qualitätsniveau erreicht, dass auch anspruchsvolle Fischarten heute wieder in der Ruhr ein Zuhause finden – die Rückkehr des Lachses hat bereits vor einigen Jahren ein großes Medienecho hervorgerufen.“

Allerdings behindern Wehre und andere Querbauwerke die Wanderung der Fische. Die so genannte Durchgängigkeit der Gewässer wiederherzustellen, ist daher eine der Forderungen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL). Nur wenn diese und etliche weitere Bedingungen erfüllt sind, kann der „gute ökologische Zustand“ erreicht werden, den alle europäischen Gewässer laut EG-WRRL bis spätestens 2027 aufweisen sollen.
Der Ruhrverband arbeitet gemeinsam mit dem Land NRW und den Anrainerkommunen engagiert an der ökologischen Verbesserung der Ruhr und ihrer Nebengewässer. Unter anderem bekanntlich in Planung: ein Fischaufstieg am Baldeneysee. Weil dort auf engstem Raum ein großer Höhenunterschied überwunden werden muss, haben die Fischexperten des Ruhrverbands zusammen mit externen Fachplanern in den letzten zwei Jahren ein neuartiges Liftsystem als Aufstiegshilfe für Fische untersucht. Die großtechnische Umsetzung derartiger Innovationen ist allerdings komplex. Die Genehmigungsbehörden erwarten vorab umfangreiche Tests zur Funktionsfähigkeit des Fischliftsystems. Neben Computersimulationen wird die Funktionalität des Fischlifts auch mit lebenden Fischen an einem 1:1 Modell getestet. Nach einigen Optimierungen der Strömungsbedingungen sind die bisherigen Ergebnisse der noch laufenden Tests sehr viel versprechend. Zum Abschluss der Modellversuche wird die Expertenrunde unter Beteiligung des Umweltministeriums und externer Fischgutachter entscheiden, wie die Durchgängigkeit mit einer solchen Maßnahme hergestellt werden könnte.

Ergebnisse der großtechnischen Versuche zur weitergehenden Abwasserreinigung in Schwerte
Von 2010 bis 2013 hat der Ruhrverband gemeinsam mit mehreren universitären Projektpartnern im Auftrag des NRW-Umweltministeriums erforscht, wie und in welchem Umfang Arzneimittelrückstände und andere schwer abbaubare Mikroverunreinigungen aus dem Abwasser entfernt werden können. Untersucht wurden Verfahren mit Pulveraktivkohle (Adsorption) und mit Ozon (Oxidation) sowie eine Kombination beider Verfahren. Das Ergebnis: Die Eliminationsleistung hängt vor allem von den Eigenschaften der Substanz ab, die entfernt werden soll. So lässt sich das Schmerzmittel Diclofenac noch vergleichsweise gut eliminieren, wobei für eine Eliminationsleistung von 80 Prozent bereits eine Hochdosierung von Pulveraktivkohle bzw. Ozon benötigt wird. Röntgenkontrastmittel, insbesondere die Amidotrizoesäure, können hingegen selbst bei höchster Dosierung nur um etwa 40 Prozent reduziert werden. Für alle untersuchten Rückstände gilt daher: Ihre ohnehin vergleichsweise geringe Konzentration im Gewässer lässt sich durch zusätzliche Verfahren noch weiter senken, doch ein gewisser Rest bleibt immer nachweisbar. Dies liegt aber auch an der mittlerweile hohen Empfindlichkeit der zum Einsatz kommenden Analysetechniken.
Beim Energieverbrauch, um dessen Reduktion sich Kläranlagenbetreiber aus Umwelt- und Kostengründen seit Jahren intensiv bemühen, schlägt die weitergehende Elimination von Arzneimittelrückständen allerdings deutlich zu Buche: Im Fall der Kläranlage Schwerte stieg der Energieverbrauch gegenüber dem bisherigen Betrieb um 42 Prozent. Darin ist die zur Aufbereitung der Aktivkohle notwendige Energie noch nicht enthalten.
Bei einer Realisierung der sogenannten vierten Reinigungsstufe müsste der Vier-Personen-Modellhaushalt, den auch der Bund der Steuerzahler bei seinem jährlichen Abwassergebührenvergleich zum Maßstab nimmt, etwa um 60 bis 70 Euro höhere Gebühren pro Jahr bezahlen als bisher.
„Die Diskussion um Spurenstoffe und die vierte Reinigungsstufe sollte kein isolierter Fachdiskurs in der Wasserwirtschaft sein“, erklärte Prof. Harro Bode in der Pressekonferenz. „Sie berührt Fragen der Produktgestaltung und –verantwortung sowie der gesellschaftlichen Ansprüche an Lebensqualität und Lebensstil. Falls sich unsere Gesellschaft allerdings für eine End-of-Pipe-Lösung entscheidet, also dafür, nicht an der Quelle anzusetzen, sondern lieber wieder die Kläranlagen noch weiter auszubauen, dann brauchen wir als Kläranlagenbetreiber klare, bundeseinheitlich geltende gesetzliche Vorgaben für diese umfänglichen Investitionen.“

Stoffsituation in der Ruhr aus dem Blickwinkel der AWWR
Der AWWR-Vorsitzende, Dr. Christoph Donner, beschrieb, was aktuell im Fokus der AWWR und ihrer Mitgliedsunternehmen liegt: „Das aus der Ruhr gewonnene Trinkwasser genügt allen behördlichen Anforderungen und ist aufgrund seiner natürlichen Zusammensetzung geschmacklich beliebt. Das zeigen auch aktuelle Verkostungstests. Damit dies so bleibt, schauen wir uns kontinuierlich die Stoffsituation in der Ruhr an und berichten im Ruhrgütebericht transparent über die Ergebnisse. Momentan haben wir verstärkt die Röntgenkontrastmittel im Blick.“
Diese werden nach der Anwendung, die Dosierung für eine Untersuchung beträgt etwa 100 Gramm, weitgehend unverändert ausgeschieden und gelangen ins Abwasser. Seit Jahren ist bekannt, dass insbesondere jodierte Kontrastmittel mittlerweile in allen Teilen der aquatischen Umwelt nachgewiesen werden können und in der Ruhr die Konzentrationen flussabwärts stetig steigen. Auch wenn die vorliegenden niedrigen Konzentrationen hinsichtlich des Trinkwassers völlig unbedenklich sind, nimmt die AWWR ihr häufiges und zunehmendes Vorkommen im Trinkwasser mit Unbehagen wahr. Denn auch mit den weitergehenden Verfahren in der Trinkwasseraufbereitung lassen sie sich nicht beziehungsweise nur geringfügig entfernen.
„Röntgenkontrastmittel sollten an der Quelle zurückgehalten werden, wenn man das Vorsorgeprinzip und Minimierungsgebot für sauberes Trinkwasser ernst nimmt“, fordert der AWWR-Vorsitzende. Bereits in den vergangenen Jahren wurden in Forschungsstudien Maßnahmen zur Er-fassung bewertet. Zentrale Erfassungskonzepte für Krankenhäuser oder auch dezentrale Erfassungssysteme stellen grundsätzliche Alternativen dar, den Stoff nach der Röntgenuntersuchung zurückzuhalten. Welche Wege eingeschlagen werden und wie die Finanzierung solcher Maßnahme aussehen soll, muss noch entschieden werden. Aktuell wird ein Pilotprojekt für die Modellregion Ruhrgebiet initiiert, um diese Stoffe möglichst an der Quelle zurückzuhalten.

Stand der Maßnahmen zur weitergehenden Aufbereitung in den Wasserwerken
Im vergangen Jahr haben die Mitgliedsunternehmen der AWWR ihre Wasserwerke weiter nachgerüstet, um damit einen wichtigen Beitrag zur Vorsorge und Erhöhung der Sicherheit zu leisten. Künftig werden Stoffe, die analytisch nicht kontinuierlich beobachtet werden, neben den bereits bekannten noch stärker zurückgehalten. Mittlerweise sind rund 84 Millionen Euro des mit insgesamt etwa 300 Millionen Euro budgetierten Gesamtinvestitionsprogramms bis 2018 umgesetzt worden. Die AWWR stellt die beschlossenen und umgesetzten Maßnahmen transparent auf ihrer Homepage dar. Donner erwähnte beispielsweise den Neubau und die Erweiterung des Wasserwerks Essen-Horst und Essen-Überruhr der Wassergewinnung Essen und auch den Neubau des Wasserwerks Hennesee der Hochsauerlandwasser GmbH. Zudem haben etliche Versorger ihre Aufbereitung um eine UV-Anlage zur Desinfektion des Trinkwassers erweitert.

Neue Heimat für Eisvögel

Die AWWR engagiert sich auch bei einer ornithologischen Leitart, die besonders charakteristisch für eine gute Gewässerqualität steht und mit der Trinkwasserversorgung sehr eng verbunden ist: der Eisvogel oder auch „fliegende Diamant“. Gemeinsam setzen sich NABU NRW, die Biologischen Stationen und die AWWR-Mitgliedsunternehmen dafür ein, die Brutmöglichkeiten durch geeignete Maßnahmen an der Ruhr und ihrem Einzugsgebiet von der Quelle bis zur Mündung zu verbessern. Es besteht damit eine sehr effektive Zusammenarbeit im Naturschutz unter der Schirmherrschaft von NRW-Umweltminister Johannes Remmel. Ein erstes Projekt setzten NABU Ruhr und die RWW Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft, Mülheim an der Ruhr, jetzt um, indem sie an der RWW-Hauptverwaltung direkt an der Ruhr einen Nistkasten installierten. Die anderen AWWR-Mitglieder stehen aktuell mit den Naturschutzverbänden im Dialog um weitere Nistkastenstandorte.

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